Antigen-Bindung löst beim T-Zell-Rezeptor keine strukturelle Veränderung aus – Signalweiterleitung erfolgt wahrscheinlich nach Rezeptor-Anreicherung
T-Zellen sind maßgeschneiderte Werkzeuge unseres Immunsystems im
Kampf gegen Infektionskrankheiten und Krebszellen. Auf ihrer Oberfläche tragen
diese weißen Blutkörperchen einen Rezeptor für die Erkennung von Antigenen. Mit
Hilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie konnten Biochemiker und Strukturbiologen
der Goethe-Universität Frankfurt in Kooperation mit der University of Oxford
und dem Max-Planck-Institut für Biophysik erstmals den vollständigen T-Zell-Rezeptorkomplex
mit gebundenem Antigen in atomarer Auflösung aufklären. So konnten sie das Verständnis
eines fundamentalen Prozesses verbessern sowie die Basis für künftige
Therapiemöglichkeiten schwerer Krankheiten legen.
FRANKFURT. Das Immunsystem der Wirbeltiere ist eine
schlagkräftige Waffe gegen Krankheitserreger von außen und entartete Zellen des
eigenen Körpers. Eine besondere Rolle spielen dabei die T-Zellen. Diese tragen
auf ihrer Oberfläche einen Rezeptor für die Erkennung von Antigenen – kleinen Proteinbruchstücken
von Bakterien, Viren und infizierten oder entarteten Körperzellen –, die ihnen von
spezialisierten Immunkomplexen präsentiert werden. Der T-Zell-Rezeptor ist
damit wesentlich für die Unterscheidung zwischen „Selbst“ und „Fremd“ verantwortlich.
Nach der Bindung eines passenden Antigens an den Rezeptor wird im Inneren der
T-Zelle ein Signalweg angeschaltet, der die T-Zelle für ihre jeweilige Aufgabe
„bewaffnet“. Wie dieser Signalweg aktiviert wird, blieb bisher jedoch
rätselhaft – und das, obwohl der T-Zell-Rezeptor zu den am besten untersuchten
Rezeptor-Proteinkomplexen gehört.
Viele Oberflächenrezeptoren
leiten Signale ins Innere von Zellen weiter, indem sie nach der Bindung ihres
Liganden ihre räumliche Struktur verändern. Auch für den T-Zell-Rezeptor wurde
dieser Mechanismus bislang vermutet. Wissenschaftler:innen um Lukas Sušac,
Christoph Thomas und Robert Tampé vom Institut für Biochemie der Goethe-Universität
ist es nun in Zusammenarbeit mit Simon Davis von der University of Oxford und Gerhard
Hummer vom Max-Planck-Institut für Biophysik erstmals gelungen, die Struktur
eines Membran-gebundenen T-Zell-Rezeptorkomplexes mit gebundenem Antigen sichtbar
zu machen. Ein Vergleich der über Kryo-Elektronenmikroskopie gewonnenen Struktur
mit der eines Rezeptors ohne gebundenes Antigen liefert erste Hinweise auf den
Aktivierungsmechanismus.
Für die Strukturanalyse wählten
die Forscher:innen einen Rezeptor aus, der in der Immuntherapie zur Behandlung von
Melanomen eingesetzt wird und dafür in mehreren Schritten so optimiert worden
war, dass er sein Antigen möglichst bereitwillig bindet. Eine besondere
Herausforderung bestand darin, den gesamten Antigen-Rezeptorkomplex aus elf
verschiedenen Untereinheiten aus der Zellmembran zu isolieren. „Bis vor kurzem
hätte niemand gedacht, dass es überhaupt möglich ist, so einen großen Membran-Proteinkomplex
stabil aus der Membran herauszulösen“, sagt Tampé.
Nachdem dies gelungen war, nutzten
die Forscher:innen einen Trick, um aus dem Versuchsansatz die Rezeptoren
herauszufischen, die den Löseprozess überstanden hatten und noch funktionierten:
Aufgrund der starken und selektiven Wechselwirkung zwischen Rezeptorkomplex und
Antigen konnten sie einen der medizinisch relevantesten Immunrezeptorkomplexe „angeln“.
Die anschließenden Aufnahmen mit dem Kryo-Elektronenmikroskop lieferten bahnbrechende
Erkenntnisse über die Arbeitsweise des T-Zell-Rezeptors, wie Tampé
zusammenfasst: „Anhand unserer Strukturanalyse konnten wir zeigen, wie der
T-Zell-Rezeptor Antigene erkennt und Hypothesen aufstellen, wie die Signalweiterleitung
nach Antigenbindung in Gang gesetzt wird.“ Die große Überraschung ist demnach,
dass nach der Antigenbindung offensichtlich keine nennenswerte Änderung der
räumlichen Struktur des Rezeptors erfolgt, denn diese war mit und ohne Antigen praktisch
gleich.
Bleibt noch die Frage, wie die Antigenbindung stattdessen zur
Aktivierung der T-Zelle führen könnte. Bekannt ist, dass sich nach der
Antigenbindung der Ko-Rezeptor CD8 an den T-Zell-Rezeptor anlagert und die
Übertragung von Phosphatgruppen auf dessen intrazellulären Teil stimuliert. Die
Forscher:innen vermuten, dass sich hierdurch Strukturen bilden, zu denen Phosphatgruppen
abspaltende Enzyme (Phosphatasen) keinen Zugang mehr haben. Fehlen diese Phosphatasen,
verbleiben die Phosphatgruppen stabil am T-Zell-Rezeptor und können den
nächsten Schritt der Signalkaskade auslösen. „Unsere Struktur ist eine
Blaupause für zukünftige Studien zur T-Zell-Aktivierung“, ist Tampé überzeugt.
„Außerdem liefert sie wichtige Impulse, um den T-Zell-Rezeptor therapeutisch
nutzbar zu machen für die Behandlung von Infektionen, Krebs und Autoimmunerkrankungen.“
Publikation: Lukas Sušac, Mai T. Vuong, Christoph Thomas, Sören von Bülow, Caitlin
O'Brien-Ball, Ana Mafalda Santos, Ricardo A. Fernandes, Gerhard Hummer, Robert
Tampé, Simon J. Davis: Structure of a
fully assembled tumor-specific T-cell receptor ligated by pMHC. Cell (2022) 185, Aug 18 https://doi.org/10.1016/j.cell.2022.07.010
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/123390758
Bildtext: Die Kryo-EM-Struktur des vollständig zusammengesetzten T-Zell-Rezeptor (TCR)-Komplexes mit Tumor-assoziierten Peptid/MHC-Liganden. Sie liefert Einblicke die TCR-Assemblierung und die ungewöhnliche Zellmembranarchitektur enthüllt damit die Grundlage der Antigenerkennung und Signalübertragung. Bild: Robert Tampé, Goethe-Universität
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Robert Tampé
SFB
1507 – Protein
Assemblies and Machineries in Cell Membranes
Institute of Biochemistry, Biocenter
Goethe-Universität Frankfurt
Tel: +49 69 798-29475
tampe@em.uni-frankfurt.de
Homepage: https://www.biochem.uni-frankfurt.de/
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent
für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation,
Telefon 069 798-12498, Fax 069
798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de