Sonderforschungsbereich zur selektiven Autophagie unter Federführung der Goethe-Universität Frankfurt verlängert
FRANKFURT. Vor vier Jahren wurde der Sonderforschungsbereich (SFB) 1177 zur selektiven Autophagie unter Federführung der Goethe-Universität etabliert – nun gab die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) grünes Licht für die weitere Förderung. Insgesamt wurden über 12 Millionen Euro bis 2023 bewilligt. Beteiligt sind neben der Goethe-Universität Frankfurt die Universitäten von Mainz, München, Tübingen und Freiburg, das Georg-Speyer-Haus und das Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt sowie das Institut für Molekulare Biologie (IMB) in Mainz.
Die selektive Autophagie ist Teil der zellulären Müllabfuhr, mit
deren Hilfe defekte oder potentiell schädliche Bestandteile abgebaut und
entsorgt werden. Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Erhaltung des
zellulären Gleichgewichts und erfüllt wichtige Funktionen bei Alterungs- und
Entwicklungsprozessen. Fehler in diesem System tragen zu Krebs,
neurodegenerativen Erkrankungen und Infektionen bei. Ziel des
Forschungsverbundes ist, die Autophagie auf molekularer und zellulärer Ebene
besser zu verstehen, um künftig eingreifen zu können, wenn das System aus dem
Ruder läuft. Der SFB 1177 ist deutschlandweit das erste Konsortium, das sich
systematisch mit diesem wichtigen Thema befasst.
„Das ist eine sehr gute Nachricht für die Goethe-Universität“,
sagt Prof. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität. „Dank dieses
Sonderforschungsbereichs ist Frankfurt in den vergangenen vier Jahren zu einem
bundesweit vernetzten Zentrum für Autophagieforschung geworden. Insbesondere
durch die Einbindung neuer Partner in München, Tübingen, Freiburg und am MPI
für Biophysik konnte die bestehende Partnerschaft zwischen Mainz (IMB/JGU) und
Frankfurt (GSH/GU) nochmal spürbar verstärkt werden. Wir erwarten uns aus
diesem Forschungsverbund große Fortschritte für die Autophagieforschung, die im
Kampf gegen viele Krankheiten helfen werden“, so die Präsidentin.
Die Autophagie findet sich in einfachen Organismen wie Hefen
ebenso wie im Menschen, und die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen sind
immer ähnlich: Die zu entsorgenden Bestandteile werden in spezifischer Weise
erkannt, von Membranen umschlossen
und
dem Abbau zugeführt. So werden beispielsweise verklumpte Proteine vernichtet,
die sonst schwere Schäden anrichten und zum Zelltod führen. Das ist
insbesondere bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer zu beobachten,
wo sich giftige Proteinaggregate ansammeln, die dann den massiven Untergang von
Nervenzellen befördern. Neben Proteinen können aber auch defekte Zellorganellen
oder pathogene Erreger mit Hilfe der Autophagie unschädlich gemacht werden. Die
dabei zurückgewonnenen Bausteine kann die Zelle als Rohstoffe wieder verwerten,
weshalb Autophagie auch eine wichtige zelluläre Überlebensstrategie in
Mangelzeiten darstellt.
Die Autophagie ist ein sehr komplizierter Prozess, der exakt
reguliert werden muss und stark abhängig von den jeweiligen
Umgebungsbedingungen ist. Sie zu erforschen, benötigt den Einsatz modernster
Technologien, die Integration verschiedenster Daten und die enge Zusammenarbeit
von Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen. „Wir konzentrieren uns
einerseits auf neue Konzepte in der Autophagie-Forschung, andererseits
versuchen wir, ihre grundlegende Bedeutung für biologische Prozesse und die
Entstehung und Therapie von Erkrankungen zu verstehen“, erklärt Prof. Ivan
Dikic, Sprecher des SFBs und Direktor des Instituts für Biochemie II an der
Goethe-Universität. „Unser Konzept sieht enge Interaktionen zwischen
Grundlagen- und translationaler Forschung vor, die durch zentrale
Technologieplattformen unterstützt werden.“
Die hochmodern ausgestatteten Plattformen sind ein wesentlicher
Erfolgsfaktor des Forschungsverbundes: Seit 2016 entstanden allein in
Zusammenarbeit mit der Proteomik-Plattform mehr als 20 wissenschaftliche
Veröffentlichungen. In der nun startenden zweiten Förderperiode werden die
zentral verfügbaren Technologien noch einmal wesentlich erweitert: Hinzu kommen
Modellierungs- und Simulationsmethoden, genomisches und chemisches
Hochdurchsatz-Screening sowie bildgebende Verfahren, um Autophagie in
Modellorganismen zu evaluieren. Ein ebenso wichtiges Anliegen des Verbundes ist
die Nachwuchsförderung, hierzu wird das in der ersten Förderperiode gegründete
Graduiertenkolleg weitergeführt. „Die Ausbildung der nächsten Generation an
Autophagie-Forschern ist eine Herzensangelegenheit, und so haben wir ein
vielschichtiges Weiterbildungsprogramm geplant“, kommentiert Dikic.
Von der Goethe-Universität ist neben
den Fachbereichen Biowissenschaften, Biochemie, Chemie und Pharmazie sowie
Medizin auch das Buchmann-Institut für Molekulare Lebenswissenschaften an dem
Sonderforschungsbereich beteiligt.
Informationen:
Dr. Kerstin Koch, Institut
für Biochemie II, Fachbereich Medizin, Goethe-Universität Frankfurt am
Main, Tel.: (069) 6301-84250, k.koch@em.uni-frankfurt.de.