FRANKFURT.
Sie sind jung und gut trainiert –
dennoch leidet ein Viertel der Studierenden der Sportwissenschaften
unter Schmerzen in Verbindung mit psychosozialen Belastungen, zum
Beispiel Stress. Dies zeigte eine Studie, die an der Goethe-Universität
entstanden ist.
Wenn
der aktive Sport im Mittelpunkt des Berufslebens oder der Ausbildung
steht, sind Schmerzen häufig ein ständiger Begleiter
– wobei Schmerzen hier als Verbindung von körperlichen und psychischen
Beschwerden definiert ist. „Jeder dritte Spitzensportler leidet unter
erheblichen Schmerzen“, erklärt Dr. Johannes Fleckenstein, Privatdozent
an der Goethe-Universität. Gemeinhin werde das
Thema eher stiefmütterlich behandelt, er habe es jedoch ins Zentrum
seiner Lehrveranstaltungen gestellt.
In
diesem Zusammenhang ist jetzt eine Masterarbeit entstanden, die
Verfasserin Anke Bumann widmet sich darin vor allem der Situation
von Sportstudentinnen und -studenten. Bumann hat ihre Fragebögen an die
Studierenden von 89 sportwissenschaftlichen Instituten im
deutschsprachigen Raum gesendet, der Rücklauf war beachtlich: 865 haben
teilgenommen, 664 den vollständigen Bogen ausgefüllt, zum
Teil sogar mit sehr ausführlichen frei formulierten Antworten.
Grundlage
der Befragung war der „deutsche Schmerzfragebogen“ der deutschen
Schmerzgesellschaft, er wurde um spezifische Aspekte
wie Sportlichkeit, Trainingslast, Selbstwirksamkeit und Resilienz
ergänzt. Gefragt wurde danach, in welchen und wie vielen Körperregionen
Schmerzen auftreten, welche Verletzungen und sonstige Diagnosen
vorliegen, außerdem ging es um psychische Faktoren, Alkoholgenuss
und Schlafqualität.
Die
Studie zeigt deutlich: Jeder vierte der vermeintlich gesunden jungen
Menschen leidet unter Schmerzen und zeigt das Auftreten
sogenannter bio-psycho-sozialer Faktoren, die Schmerzen begünstigen
können, vor allem Stress infolge hohen Leistungsdrucks. Mehr als die
Hälfte der Befragten empfindet Schmerzen in zwei und mehr Körperregionen
– obwohl die meisten eine relativ große Schmerztoleranz
angeben. Verglichen mit Altersgenossen haben Sportstudenten häufiger
Depressionen, Angstzustände und Stress, während Rücksichtnahme auf sich
selbst deutlich reduziert ist. Die Studierenden trainieren im
Durchschnitt fünf bis sieben Stunden wöchentlich und konsumieren
mehr Schmerzmittel (Analgetika) und Alkohol. Mehr als 60 Prozent geben
an, unter Schlafstörungen zu leiden. Der Befund ist für alle Sportarten
gleich, lediglich die Lokalisierung der Schmerzen ist eine andere. Die
fehlende Rücksichtnahme gegenüber dem eigenen
Körper und seinen Beschränkungen führe jedoch zu einer Chronifizierung
dieses Zustands, der immer schwieriger zu verändern sei.
Dass
die Not groß ist, zeige sich bei den qualitativen Antworten: Häufig
wurde Freude darüber geäußert, dass nun ein Augenmerk
auf die Thematik falle und man Gelegenheit habe, seine Probleme zu
kommunizieren. Fleckenstein hofft darauf, dass die frühzeitige
Auseinandersetzung der Studierenden mit dem Thema helfe, offener damit
umzugehen – ohne Angst davor, als „Weichei“ abgestempelt
zu werden. Dazu könnten seiner Meinung nach auch die Lehrenden
beitragen, die bei praktischen Prüfungen mehr Rücksicht auf den
gesundheitlichen Zustand der Kandidaten nehmen sollten. Und wenn die
„fertigen“ Sportwissenschaftler in entsprechende berufliche Positionen
kommen, könnten sie allmählich zu einem Umdenken beitragen.
„Wir
müssen endlich aufhören, das Thema Schmerzen im Sport zu
bagatellisieren“, fordert Johannes Fleckenstein. Es sei bedenklich,
dass Schmerzerkrankungen bereits bei jungen und körperlich aktiven
Studierenden in dieser Anzahl auftreten. Mit wachsender
Professionalisierung, so die These der Autoren, steige die Zahl der
Betroffenen noch weiter an: „Es wird enorm viel Leistung verlangt,
und es geht um viel Geld“, so der Sportmediziner. Deshalb werde die Studie nun mit professionellen Athleten fortgesetzt.“
Publikation: Journal
of Sports Science
and Medicine, Volume:(19), Pages:323-336 Prevalence of Biopsychosocial
Factors of Pain in 865 Sports Students of the Dach (Germany, Austria,
Switzerland) Region – A Cross-Sectional Survey Anke Bumann, Winfried
Banzer, Johannes Fleckenstein please click the
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