Neue DFG-Forschungsgruppe an Goethe-Universität zur Modellierung von Netzwerken
FRANKFURT. Der
Informationsfluss in Netzwerken birgt für die moderne Gesellschaft
gleichermaßen Chancen wie Risiken. Nachrichten können sich ebenso schnell und
dynamisch verbreiten wie Gerüchte. Eine neue Forschungsgruppe hat sich zum Ziel
gesetzt diese Prozesse zu modellieren, analysieren, zu verstehen und zu
regulieren. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 2,1 Millionen Euro über drei Jahre gefördert.
„Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Informatik der letzten zwei
Jahrzehnte ist, dass Netzwerke mit bestimmten Eigenschaften überraschend viele
Bereiche unseres Lebens beschreiben und beeinflussen“, erklärt
Forschungsgruppen-Sprecher Prof. Martin Hoefer vom Institut für Informatik an
der Goethe-Universität. Allen diesen Netzwerken ist gemeinsam, dass sie durch
eine Vielzahl von Faktoren entstehen, die nicht bis ins letzte Detail
rekonstruiert werden können.
Es existieren bereits Ansätze zur Modellierung und Simulation von
dynamischen Prozessen wie Infektionsketten oder Meinungsbildungsprozessen.
Diese will die Forschungsgruppe weiter entwickeln und auf weitere Gebiete
anwenden. Insbesondere will sie untersuchen, wie sich – reale wie virtuelle –
Epidemien verbreiten und wie Finanzkrisen entstehen. Die Forschungsgruppe will
dazu die Entstehung von Netzwerken modellieren und simulieren. In einem
weiteren Schritt will sie untersuchen, wie diese Prozesse durch neue
Algorithmen beherrschbarer machen kann.
Bei der Verbreitung von Epidemien geht es darum zu rekonstruieren,
wie Infektionsketten sich ausgehend von einem mutmaßlichen Ersterkrankten
entwickeln. Hier spielen viele Zufallsprozesse eine Rolle. Etwa, ob es bei der
Begegnung zwischen zwei Menschen zu einer Infektion kommt oder ob ein PC-Nutzer
eine Viren verseuchte Datei öffnet. Mithilfe realistischer Modellrechnungen
können unter anderem Test-Designs optimiert werden.
Ein Beispiel ist das „group testing“, das es ermöglicht, eine
große Anzahl von Personen mithilfe weniger Tests zu untersuchen und damit
Infizierte möglichst gezielt zu erkennen. Es geht auch um die Frage, wie viele
Tests notwendig sind, um mit großer Sicherheit festzustellen, wer erkrankt ist.
Eine Anwendung auf die aktuelle Corona-Pandemie erwarten die Forschenden jedoch
nicht. „Unsere Resultate könnten eher langfristig zu neuen Einsichten, Analysen
und davon ausgehend eventuell veränderten Herangehensweisen führen“, so Hoefer.
Ein weiterer Schwerpunkt ist, die Entstehung von Netzwerken zu
modellieren, etwa sozialen Netzwerken im Internet. Denn sie haben einen großen
Einfluss auf Meinungsbildungsprozesse. Um ein realistisches Modell zu erhalten,
müssen sowohl weit verbreitete Eigenschaften von Netzwerkstrukturen erfasst
werden als auch Besonderheiten von Netzwerken in bestimmten Anwendungen. Das
Ziel sind Modelle, die beide Aspekte gleichzeitig abbilden können. Außerdem
wollen die Forschenden effiziente Algorithmen entwickeln, um große Netzwerke
realistisch zu erzeugen.
Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet ist die Einschätzung von
Risiken in Finanznetzwerken. Hier ist eine realistische Modellierung wichtig,
um die systemischen Risiken in einer Portfolio-Struktur ermitteln zu können.
Partner in diesem Teilprojekt ist die Deutsche Bundesbank.
Die Forschungsgruppe unter Federführung der Goethe-Universität ist
ein Kooperationsprojekt mit der Universität Hamburg und dem
Hasso-Plattner-Institut in Potsdam.
Informationen:
Prof.
Martin Hoefer
Algorithmen
und Komplexität
Fachbereich
12 Informatik/Mathematik
Tel.
(069) 798-28155
E-Mail:
mhoefer@cs.uni-frankfurt.de