„Forschung Frankfurt“ zum Thema Digitalisierung: Wie Rechtswissenschaft und Informatik gemeinsam vor Diskriminierung durch digitale Dienste schützen können
FRANKFURT. Wenn alle das nutzen, wird es schon nicht so schlimm sein – beim Handy- und Computergebrauch auf „Schwarmintelligenz“ zu setzen, ist nicht unbedingt eine gute Idee. „Denn wir wissen zum einen nicht, wer unsere Daten hat, wir wissen aber auch nicht, was über uns gewusst wird – und was mit diesem Wissen unternommen wird“, so die Frankfurter Datenrechtsexpertin Prof. Indra Spiecker in einem Beitrag im Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität. Schwerpunktthema der gerade erschienenen jüngsten Ausgabe ist die digitale Transformation. Nur ein Zusammenspiel zwischen Rechtswissenschaft und Informatik, so die Direktorin der Forschungsstelle Datenschutz an der Goethe-Universität Frankfurt, könne Einzelne und bestimmte gesellschaftliche Gruppen vor Diskriminierung schützen.
Wie soll ein Hotelgast, der aus einem bundesweit bekannten
Problemviertel stammt, wissen, dass ihm ein Hotelzimmer zu einem höheren Preis
angeboten wird als jemandem aus einem bürgerlichen Viertel? Nicht immer sind es
konkrete Daten zu einer bestimmten Person, die zu einer Benachteiligung führen
können. Moderne Datenauswertung mithilfe künstlicher Intelligenz arbeite längst
damit, so Spiecker, „den Einzelnen Gruppen zuzuordnen und ihn nach den
Kriterien der Gruppe zu beurteilen. Auf dieser Basis werden dann Preise für
Produkte je nach Zielgruppe variabel bestimmt.“
Dabei kommt es nicht immer zu einer „Diskriminierung im
juristischen Sinne“, erklärt die Professorin für Öffentliches Recht,
Informationsrecht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaften. Diskriminierung
könne auch verdeckt erfolgen – indem Ersatzkriterien gewählt werden, die
vordergründig in keinem Zusammenhang mit Zuordnungen wie Geschlecht, Rasse,
Herkunft oder Religion stehen. Die aber denselben Effekt haben. Solche
Ersatzkriterien sind mit Hilfe digitaler Technik leicht zu finden – aber von
Datenschützern schwer aufzudecken. So liegt es nicht auf der Hand, dass die
Vorliebe einer Fernsehzuschauerin für eine bestimmte Serie ihre
Kreditwürdigkeit senkt. Der wirklichen Ursache für die Benachteiligung ist kaum
auf den Grund zu kommen, rechtliche Schritte dagegen sind folglich unmöglich.
Rechtswissenschaftlerin Spiecker plädiert deshalb für ein „enges
Zusammenspiel von Technologie und der Werteordnung des Rechts“: Es müssten
technische Lösungen gefunden werden, die rechtlichen Anforderungen entsprechen.
Und umgekehrt müssten rechtliche Anforderungen so formuliert werden, dass sie
technische Lösungen akzeptieren könnten. Auch müsse vom konkreten Programmierer
oder seinem Unternehmen mehr Verantwortung eingefordert werden.
Hat der Einzelne dennoch eine Chance, sich vor dem ungewollten
Datenabfluss zu schützen? „Was immer hilft“, sagt Spiecker im Interview mit
„Forschung Frankfurt“, „ist die Macht der Masse.“ Wer seinem Kind nicht
beibringe, „google das mal“, als ob es keine alternativen Suchmaschinen gäbe,
oder beim Fernsehkauf nicht nur „toll, internetfähig!“ ausrufe, sondern auch
mal nachhake, wer denn sonst noch von den familiären Sehgewohnheiten erfahre,
trage dazu bei, dass Märkte sich verändern. Jeder intelligente Nutzer, der sein
Verhalten ändere, könne etwas bewirken.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2020)
kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im Web: www.forschung-frankfurt.de. Unter
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