Erste Ergebnisse der dritten bundesweiten Studie „JuCo“ liegen vor
Gemeinsame Pressemitteilung von Goethe-Universität Frankfurt und Universität Hildesheim
Immer noch haben viele Jugendliche Angst vor ihrer Zukunft. Und trotzdem gestalten junge Menschen ihre Jugend in der Pandemie. Dies zeigt die dritte Befragung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Corona-Zeit (JuCo III). Mehr als 6.000 junge Menschen hatten sich an der Online-Befragung der Frankfurter Goethe-Universität und der Universität Hildesheim beteiligt. Mit Blick auf die Ergebnisse der JuCo-Studien erscheint es wichtig, die Erfahrungen und Leistungen der jungen Menschen während der Pandemie nicht zu übergehen, sondern anzuerkennen.FRANKFURT/HILDESHEIM.
Während die Jugendlichen sich zu Beginn der Pandemie vor allem auf ihre Rolle
als Schüler:innen reduziert und in ihren Lebensumständen von der Politik kaum
wahrgenommen fühlten, zeigen sich in der Studie JuCo III tendenzielle
Veränderungen: Die dritte, aktuelle Online-Befragung von Jugendlichen vom
Dezember 2021 ergibt, dass sich einige Jugendliche inzwischen politisch mehr
gehört fühlen; allerdings hat die Mehrheit nach wie vor den Eindruck, dass sie
politische Entscheidungen nicht beeinflussen kann.
Positiv vermerken einige Jugendliche auch, dass ihre Schulen nun
digital besser ausgestattet seien. Auch der Anteil von Jugendlichen, die wieder
ihren Hobbies nachgehen können, hat sich erhöht. Hier wird deutlich, wie
wichtig die außerschulischen Aktivitäten für junge Menschen sind: Die
Ergebnisse der JuCo III unterstreichen, dass diejenigen, die Hobbies weiterhin
nachgehen können, weniger häufig von psycho-sozialen Belastungen berichten als
diejenigen, welche deutliche Einschränkungen in ihrem Sozialleben erfahren.
Insgesamt zeigt die Studie allerdings auch, dass die lange Dauer
der Pandemie bei den jungen Menschen deutliche Spuren hinterlassen hat: Noch
immer erfahren viele von ihnen starke Einschränkungen in Bildung und Freizeit.
Das Lernen zu Hause für Schule und Hochschule fällt vielen schwer. Der Anteil
der jungen Menschen, der Angst vor der Zukunft hat, hat sich im Laufe des
Jahres 2021 sogar noch einmal erhöht. Die Belastungen sind sehr ausgeprägt:
Mehr als jede:r Fünfte gibt an, professionelle Hilfe- und Beratungsangebote zu
brauchen, jedoch nicht über ein entsprechendes Angebot zu verfügen.
Ein weiterer Befund lässt besonders aufhorchen, so das
Forschungsteam: Der Anteil junger Menschen, deren finanzielle Sorgen seit der
Pandemie größer geworden sind, ist gewachsen. Wie gut Jugendliche durch diese
nunmehr zweijährige Phase kommen, hängt signifikant von den finanziellen
Mitteln ab, wie die Auswertungen der Daten aus JuCo III zeigen. Dies haben bereits die
ersten Studien, JuCo I und II, deutlich gemacht.
An den mehr als 1.400 Freitextantworten und Kommentaren zeigt sich
einmal mehr der hohe Mitteilungsbedarf der jungen Menschen. Tanja
Rusack, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Hildesheim,
verdeutlicht: „Junge Menschen bemühen sich auch in dieser schwierigen Zeit,
ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen.“ Weiterhin verdeutlicht Johanna Wilmes
von der Goethe-Universität: „Das können sie aber nur, wenn sie sozial und ökonomisch
abgesichert sind. Junge Menschen mit eigenen finanziellen Sorgen wurden bisher
kaum in den Blick genommen. Wir sehen, dass es für einen sehr großen Teil unter
den Befragten so gravierende psycho-soziale oder andere gesundheitliche
Belastungen gibt, dass sie professionelle Hilfe benötigen, die
Hilfeinfrastrukturen diesen Bedarf aber gar nicht ausreichend decken können.“
Der Forschungsverbund sieht darin wichtige Anforderungen im
Bereich Bildung, Gesundheit und Freizeit, die die Politik immer noch nicht
zufriedenstellend gelöst hat. Junge Menschen zeigen sehr deutlich ihre
Mitgestaltungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit, nur müssen sich die
Rahmenbedingungen für ein Jugendleben in und nach der Pandemie dafür deutlich
verbessern. Weitere Veröffentlichungen zu vertieften Analysen, die auch
partizipativ im Rahmen von Jugendworkshops erfolgen sollen, folgen im Laufe des
Jahres 2022.
An der Studie, in der mit einem Schneeballverfahren eine
Zufallsstichprobe erzielt wurde, haben knapp 6.200 junge Menschen teilgenommen,
davon sind 70 Prozent weiblich. Knapp ein Drittel der Befragten ging zur
Schule, ein Viertel absolvierte ein Studium, fast 12 Prozent sind erwerbstätig,
knapp acht Prozent in der Ausbildung, und rund 20 Prozent befand sich in einem
Freiwilligen Sozialen Jahr.
Der Forschungsverbund „Kindheit – Jugend – Familie in der
Corona-Zeit“ setzt sich zusammen aus dem Institut für Sozial- und
Organisationspädagogik an der Stiftung Universität Hildesheim und dem Institut
für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung an der Goethe-Universität.
Entstanden sind darin bisher die bundesweiten Studien JuCo I, II undIII zu den
Erfahrungen und Perspektiven von jungen Menschen während der Corona-Maßnahmen
sowie die bundesweite Studie KiCo zu den Erfahrungen und Perspektiven von
Eltern und ihren Kindern während der Corona-Maßnahmen. Aktuell gehören zum Team
Sabine Andresen und Johanna Wilmes von der Goethe-Universität sowie Anna Lips,
Tanja Rusack, Wolfgang Schröer und Severine Thomas von der Universität Hildesheim.
Die Studie ist einsehbar unter: https://dx.doi.org/10.18442/205
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Sabine Andresen
Institut
für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
E-Mail:
S.Andresen@em.uni-frankfurt.de
Universität
Hildesheim
Institut
für Sozial- und Organisationspädagogik
Dr. Tanja Rusack
rusack@uni-hildesheim.de
Dr. Severine Thomas
severine.thomas@uni-hildesheim.de